1.1 Körpergewichtsveränderungen
Bei manchen Pillenbenutzerinnen steigt das Körpergewicht an. Dies kann auf verstärkten Appetit, eine verstärkte Wasserretentionoder auf den anabolischen (= Körpermasse aufbauenden) Effekt des "androgenen" (= männlich wirkenden) Progesterons zurückgeführt werden. (MSED, S. 1001)
1.2 Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
Alle Studien haben herausgefunden, dass die Pille Auswirkungen auf den Kohlenhydratstoffwechsel hat. So sind in verschiedenen Untersuchungen leichte Grade von Insulinresistenz gefunden worden, das heißt, dass Insulin beim Blutzuckeranstieg unter der Pille nicht mehr so wirksam den Glucosespiegel vermindernd regulieren kann. Patientinnen mit bestehendem oder verborgenem Diabetes mellitus sollten die Pille nicht nehmen. (MSED, S. 999f.)
1.3 Störungen des Fettstoffwechsels
Eine Erhöhung der Blutfette erhöht beim Menschen das Arterioskleroserisiko. Es ist gezeigt worden, dass durch Östrogene einerseits und Gestagene andererseits eine gegensätzliche Beeinflussung der Blutfette hervorgerufen wird. Ob ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung arteriosklerotischer Krankheiten besteht, wird offiziell noch kontrovers gesehen, aber es scheint doch ein leicht erhöhtes Risiko zu bestehen. (MSED, S. 1000)
1.4 Störungen des Vitaminstoffwechsels
Bei Pillenbenutzerinnen wurden Veränderungen bei den Plasma-Vitamin-Spiegeln gefunden. Die meisten Vitaminspiegel im Blut werden vermindert. Das Vitamin C in den Leukozyten (=weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (= Blutplättchen) ist bei Pilleneinnahme vermindert. Die Umwandlung von Vitamin-D3 in 25-Hydroxy-D3 wird gehemmt. Die Polyglutamat-Folat-Aufnahme über den Darm ist vermindert. Vitamin-B12-Mangel ist auch bei ansonsten gesunden Pillenbenutzerinnen gefunden worden. Veränderungen im Vitamin-B6-Stoffwechsel wurden vor dem Hintergrund der Pillendepression erörtert. (MSED, S. 1000)
1.5 Störungen des Mineralhaushaltes
Es sind Veränderungen im Zink-, Kupfer- und Magnesium-Blutspiegel gefunden worden. Pillenbenutzerinnen scheiden weniger Calcium als Nicht-Anwenderinnen aus. Deshalb wird angenommen, dass der langfristige Gebrauch oraler Kontrazeptiva die Osteoporoseentwicklung verhütet. (MSED, S. 1001)
Die vorstehende Annahme ist jedoch spekulativ und steht im Widerspruch zu anderslautenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es ist bekannt, dass die langjährige Pilleneinnahme zu Schilddrüsenveränderungen führt, welche ihrerseits mittels künstlicher Schilddrüsenhormone behandelt werden. Es ist nun aber nachgewiesen, dass die langjährige Einnahme der Schilddrüsenhormone zu frühzeitig und verstärkt auftretender Osteoporose führt. (REVIEW OF MEDICAL PHYSIOLOGY, W. F. GANONG, 1989, S. 337)
Somit schließt sich in vielen Fällen ein medikamentöser Kreis:
Nach einer Anti-Baby-Pillenphase folgt die Phase mit Einnahme von Schilddrüsenhormonen zur Behandlung der Folgewirkungen der Pille auf die Schilddrüse. Künstliche Wechseljahreshormone sollen dann die Nebenwirkungen der künstlichen Schilddrüsenhormone auf die Knochen wieder beheben.
Zum Ende eines Frauenlebens kann dann wieder der Internist oder gegebenenfalls der Psychiater aktiv werden, um die internistischen oder psychologischen Auswirkungen der fast lebenslangen Hormongaben auf die Integrität der Frau zu behandeln.
1.6 Störungen des Blutstoffwechsels
Die Bindungskapazität des Serumproteins (= Fähigkeit des Bluteiweißes, andere Stoffe, z.B. Hormone, zu Transport- oder Speicherzwecken zu binden) ist unter Pillenhormonen verändert, wodurch Änderungen im Serumspiegel verschiedener Substanzen, z.B. Thyroxin, Cortisol, Serumeisen, hervorgerufen werden. Das Serumeisen unterliegt periodischen Schwankungen während des Menstruationszyklus, diese Schwankungen sind weniger ausgeprägt bei der Einnahme der Pille. Hämoglobin (= roter Blutfarbstoff), Hämatokrit (= feste Blutbestandteile) und Erythrozyten (= rote Blutkörperchen) sind unter der Pille vermindert. Erythrozyten-Enzymkrankheiten (Enzyme = Substanzen, die für das Funktionieren des Stoffwechsels wichtig sind) wurden bei Pillenapplikation beobachtet. (MSED, S. 1001)
1.7 Störungen des Leberstoffwechsels
Für bestimmte Lebertumoren wird der Pille ein auslösender Effekt zugesprochen. Es kann durch einen vorübergehenden Anstieg der Serumtransaminasen (= Leber-Werte) gezeigt werden, dass orale Kontrazeptiva die Leberzellen in geringem Ausmaß zerstören. Langzeitanwendung wurde als Ursache für Veränderungen in der mikroskopischen Struktur der Leberzellen nachgewiesen, so auch in den Mitochondrien (= "Kraftwerke der Zellen"), in welchen sich kristallartige Einschlüsse entwickelten. Außerdem wurde die Vergrößerung des weichen endoplasmatischen Retikulums (= Produktionsort unzähliger biochemischer Zellstoffwechselsubstanzen innerhalb der Zelle) und Veränderungen der kleinsten Gallenkanälchen nachgewiesen. Diese Veränderungen sind normalerweise nicht vergesellschaftet mit klinischen Symptomen.
Gelbsucht als Auswirkung oraler Kontrazeptiva wurde wiederholt seit 1962 beschrieben. In der schwedischen Bevölkerung wurde eine Rate zwischen 1 : 100 und 1 : 4.000 gefunden, und zwar in der Zeit, als noch hochdosierte Präparate benutzt wurden.
Wenn Lebersymptome erscheinen, dann üblicherweise in den ersten Monaten der Medikation. Sie umfassen Abmagerung, Unwohlsein, Juckreiz und Gelbsucht.
Eine Erhöhung der alkalischen Serumphosphatase ist üblich, während die Serumtransaminasen normal bis stark erhöht sind. Eine mikroskopische Untersuchung der Leber zeigt Gallenstau innerhalb des Lebergewebes. Wenn die Gabe der Pille beendet wird, bilden sich die Symptome üblicherweise sehr schnell wieder zurück. Die Reaktion läßt keine Folgen zurück. (MSED, S. 1001f.)
Es ist jedoch völlig unbewiesen, dass die beschriebenen Veränderungen auf die Leber nach Absetzen der Pille folgenlos abheilen. Weil die Leber das Lebensorgan ist - deswegen heißt sie Leber! - kann eine Jahre zuvor stattgefundene toxische Beeinträchtigung (= Beeinträchtigung durch Gifte) durchaus Spätfolgen haben. Auch bei dem in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden sogenannten chronischen Müdigkeits-Syndrom(chronic fatigue syndrome, CFS) wird eine zu starke Belastung von Leber und Nervensystem durch Umweltgifte als mögliche Ursache vermutet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Pillenhormone zu jenen toxischen Substanzen gehören, die das CFS als Spätfolge auslösen.
Die Ursachenerörterung (für die Leber-Erkrankungen unter der Pille) bezieht sich hauptsächlich auf die Östrogene, aber es gibt auch Fälle, wo ausschließlich Progesteron gegeben wurde. Die Erklärung dafür kann darin liegen, dass im Organismus Progesteron in Östrogen umgewandelt wird.
Die Ursache des Gallenstaus ist nicht bekannt, aber Tierversuche haben gezeigt, dass eine Bremsung des Gallenflusses auftritt. Über Erweiterungen der Lebersinus (= mikroskopisch kleine Strukturen zwischen den Leberzellen) ist bei einer 23 Jahre alten Frau berichtet worden, welche ein akutes Schmerzsyndrom mit Auflösung von Gewebezellen entwickelte, nachdem sie 7 Jahre lang die Pille genommen hatte. Diese Frau hatte sich sofort nach Absetzen der Pille erholt.
Die Beziehung zwischen Pillengebrauch und Gallenblasenerkrankung wird schon lange diskutiert. Eine Studie fand bereits 1975 heraus, daß die Wahrscheinlichkeit einer notwendigen Gallenblasenoperation bei Pillen-Benutzerinnen 2 mal so hoch ist wie bei Nicht-Benutzerinnen. Auswirkungen auf die Gallensteinbildung können auf den Östrogenanteil zurückgeführt werden, z.B. seit bekannt ist, dass Östrogene einen Anstieg der Gallenblasenerkrankungen auch bei Männern verursachen.
Ergebnisse des BOSTON COLLABORATIVE DRUG SURVEILLANCE PROGRAM von 1977 lassen vermuten, dass Pillenbenutzerinnen häufiger mit akuter Hepatitis diagnostiziert werden als Nichtbenutzerinnen. (MSED, S. 1002)
1.8 Störungen des Verdauungssystems
Geringgradige Beschwerden im Bereich des Verdauungstraktes, wie Übelkeit und unklare Bauchschmerzen, sind bei 10 30 % der Patientinnen früherer Studien gesehen worden. Sie sollen bei den heutigen niedrig-dosierten Präparaten in geringerem Maße auftreten.
Akute Pankreatitis (= akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse) wurde während des Pillengebrauches beobachtet, ebenso ein Anstieg der Serumamylase (= Enzym der Bauchspeicheldrüse).
Durchfall wird als gelegentlich auftretende individuelle Reaktion eingestuft. Morbus Crohn (= spezifische Darmentzündung) tritt ebenfalls gelegentlich beim Gebrauch oraler Kontrazeptiva auf.
Wenn Morbus Crohn unter der Pille auftritt, dann ist damit ein positiver Ursache-Wirkungs-Zusammenhang angezeigt. (MSED, S. 1002)
1.9 Störungen des Hautstoffwechsels
Verschiedene Arten von Hautreaktionen treten während oraler Kontrazeption auf. Das Auftreten unter Einbeziehung auch der geringeren Hautkomplikationen wird auf lediglich 5 % geschätzt. Die Hormone erzeugen die Hauterkrankungen nicht direkt. Sie bringen lediglich die Neigung dazu hervor, so dass andere auslösende Ursachen die Entwicklung bedingen können.
Haarausfall ist während der Applikation und nach dem Absetzen der Pille gesehen worden.
Verstärkte Pigmentation der dem Sonnenlicht ausgesetzten Hautareale sowie Lichtsensibilität sind bei manchen Anwenderinnen beobachtet worden. (MSED, S. 1002f., siehe auch 3.3. Hypophysenhormon MSH)